schreib(t)räume

Christa Lieb – Autorin

Einblicke

| 2 Kommentare

Foto chrilie

Manchmal werde ich gefragt, ob ich all die Orte, die in meinen Geschichten vorkommen, persönlich kenne. Nein, antworte ich meist und ernte in der Regel erstaunte Blicke. Offenbar machen viele Leser keinen Unterschied zwischen Fiktion und Realität. Bei keinem meiner Romane gibt es Hinweise darauf, dass es sich um autobiografischen Stoff handelt. Trotzdem können sich viele nicht vorstellen, dass einem der Kopf schier überläuft von Geschichten, die mit einem selbst nichts zu tun haben. Märchen eben.

Ja, aber … kommt dann die Frage. Ja, aber, wie können Sie über Dinge schreiben, die Sie nicht kennen. Das bringt mich zum Lächeln. Wenn ich bedenke, wie viele tausend Leichen all die Krimiseiten pflastern, ohne dass der Autor tatsächlich zum Mörder wurde. Diese Freiheiten sind wunderbar. Man kann Dinge tun, die man sich im wahren Leben niemals trauen würde, zum Beispiel jemanden umbringen – mit Worten, versteht sich. In diesem Zusammenhang fällt mir eine Passage aus einem Newsletter von Gerhild Tieger vom Autorhaus ein. Sie berichtet darin von einer Begebenheit, von der man sich ständig wünscht, sie möge einem selbst geschehen. Ein Leser war mit dem Ausgang einer Geschichte nicht einverstanden und schrieb an den Autor T. C. Boyle einen aufgebrachten Brief, in dem nur ein Satz stand: „Wie konnten Sie ihn umbringen, Sie kleiner Scheißer!“ Herrlich. Die Identifikation des Lesers mit dem Protagonisten war so groß, dass er dessen Tod nicht akzeptierte.

Gut, dass ich keine Leute umbringe, ist den Fragenden dann doch schnell klar. Die nächste Frage, die zuverlässig gestellt wird, lautet: Und wie können Sie dann beschreiben, wie es in A oder B aussieht, wenn Sie noch nie dort waren?

Recherche heißt das Zauberwort. Ich “reise” per Internet in Länder und Städte, schaue mir unzählige Bilder an, versetze mich in die Stimmung, durch diese Stadt zu laufen, an diesem Strand in der Sonne zu liegen usw. Diese Arbeit macht einen großen Teil beim Schreiben aus. Ohne Recherche, Planung und Vorarbeit geht nichts. Es dauert in der Regel viele Wochen, bis ein halbwegs vernünftiges Gerüst – wir nennen es Plot – steht. Unzählige Notizen, meist auf kleinen Kärtchen, Klicks im Internet, suchen in Zeitschriften, unfreiwillig belauschte Gespräche, studieren des Alltags, beobachten von Menschen, stehen bei mir am Anfang eines Projektes. Das hört sich nicht sehr nach Dichterromantik an. Und das ist es auch nicht. Schreiben ist hartes Handwerk, das unglaublich viel Disziplin und Ausdauer verlangt.

Bei meinem derzeitigen Projekt steht der Plot, der Anfang und das Ende, sind einige Kapitel komplett, andere existieren erst in losen Szenen, die noch zusammengefügt werden müssen. Und bei jeder Wendung, die mir in den Sinn kommt, bzw. die sich während des Schreibens ergibt, heißt es von Neuem: recherchieren. Fazit: Ich stehe am Anfang und es ist noch ein weites Stück zu gehen. Ein Leser meines neuen Romans „Wohin dein Weg auch führt“, meinte: Ich habe das Buch in zwei Tagen verschlungen und währenddessen daran gedacht, dass das Schreiben zwei Jahre gedauert hat. Das ist die Realität auf den Punkt gebracht.

 chrilie

 

Autor: Christa Lieb

 

2 Kommentare

  1. Das ist Christa-Schreibe, wie ich sie mag: Interessanter “Stoff” in raffinierten Formulierungen zu Papier, nein blog, gebracht. Einige lassen mich schmunzeln lassen, weil sie einfach köstlich sind.

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.