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Heinrich Mahler pfiff nach seinem Hund. Kurz darauf verließ er mit einem kleinen Weidenkorb sein Haus und lief mit Hasso Richtung Erlenbruch.
Seit Wochen hatte er darauf gewartet, dass es endlich regnet und die Pilze sprießen. Jetzt war es soweit.
Heute Abend würde ihm seine Frau ein leckeres Pilzragout und ihre berühmten Semmelknödeln servieren. Dazu ein kühles Bier. Beim Gedanken daran, lief ihm das Wasser im Mund zusammen.
Hasso zerrte an der Leine; Mahler konnte ihm kaum folgen. Verdammter Köter, dachte er erbost. So alt und noch immer nicht erzogen. Suchend schaute er sich um; niemand war zu sehen und so ließ er den Hund von der Leine. Der lief freudig bellend davon und war bald nicht mehr zu sehen.
Verdammt, hoffentlich ist kein Jäger in der Nähe, überlegte Heinrich Mahler und beeilte sich, ihm zu folgen. Als er schließlich schwer atmend um die Kurve bog, sah er Hasso an einem eigenartigen Gegenstand schnuppern. Beim Näherkommen machte er ein mit blauer Plane umwickeltes Paket aus. Mit scharfen Krallen bearbeitete sein Hund das seltsame Fundstück und bald waren faustgroße Löcher entstanden. Mahler trat näher. Ein bestialischer Gestank entströmte dem Paket. Dicke Maden quollen hervor.
Von Ekel und Entsetzen gepackt, griff er nach dem Halsband, leinte Hasso an und lief, so schnell es seine müden Beine zuließen, den Weg zurück bis zu seinem Haus. Dort wählte er mit zittrigen Fingern die Nummer des Polizeireviers.
Abends saß er voller Anspannung vor dem Fernsehgerät und schaute die Hessenschau. Endlich kam die Meldung, auf die er wartete: Einen grausigen Fund machte heute ein Pilzsammler im Erlenbruch nahe Frankfurt. Am Rand einer Fichtenschonung fand er einen, in eine blaue Plane gepackten, Torso. Wie lang der Körper dort schon lag und um wen es sich dabei handelt, muss die noch nicht abgeschlossene Obduktion ergeben. Besonders erschwert werden die Ermittlungen durch das Fehlen des Kopfes, erklärte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Sachdienliche Hinweise bitte an …
Heinrich Mahler hatte genug gehört. Er schaltete das Fernsehgerät aus und lehnte sich zurück. Der Appetit auf Pilzragout war ihm gehörig vergangen.
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Wenn das Leben Schatten wirft – Kriminalroman – Christa Lieb
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