Schwer durchschaubar … Ein Zwischenruf
Neulich führte ich einen Online-Plausch mit einer Schreibkollegin. Wir unterhielten uns über abgeschlossene, laufende und geplante Projekte. Ich merkte schnell, dass sie nicht ganz bei der Sache war. Meiner Frage nach dem Warum kam sie zuvor.
»Auf Twitter habe ich über 3000 Follower.«
»Schön«, sagte ich.
»Und du?«
»Viel weniger. Circa 1200.«
»Ich retweete, like, grüße …«
»Ja … Und?«, antwortete ich abwartend.
»Na ja«, sagte sie. »Wenn ich z. B. für meine Bücher werbe oder auf meine Website hinweise oder bitte, mir auf Facebook zu folgen, passiert nie was. Ich habe zwar gehört, dass Eigenwerbung nicht so gut ankommt, aber …«
»Das Twitter-Gipfel-Glück ist, wenn andere für dich und deine Bücher Werbung machen«, erwiderte ich.
»Oh … Ja … Wie kriegt man das hin?«
»Keine Ahnung. Ich war auch noch nicht so richtig auf dem Gipfel.«
»Ärgert dich das?«
»Ja. Manchmal.«
»Und ich komme nur schwer damit klar, dass manche Leute einen von heute auf morgen links liegen lassen.«
»Nimm’s nicht persönlich. Das kenne ich auch. Du wirst von einer Welle erfasst und mitgenommen. Und irgendwann, wenn du gerade beginnst dich dort wohlzufühlen, spukt die Welle dich wieder aus. Dann liegst du wie Treibgut da und hoffst, dass jemand dich findet und mitnimmt.«
»Ich finde das eigenartig. Ist wohl aber so … Dachte schon … Und dann die vielen Leute, die jeden Tag getwittert haben auf Teufel komm raus und plötzlich hört und sieht man nichts mehr von ihnen.«
»Stimmt. Da ist ein ständiges Kommen und Gehen. Ist mir auch schon aufgefallen.«
»Ich finde das schade. Manche waren richtig nett … und ich vermisse einige auch.«
»Eigentlich kennt man sich doch gar nicht …«, versuchte ich sie aufzumuntern.
»Ich investiere richtig viel Zeit. Ständig sehe ich nach, ob vielleicht jemand eine Nachricht für mich hat oder ob es neue Follower gibt.«
»Und wann schreibst du?«
»Das frage ich mich an manchen Tagen auch. Und dann ärgere ich mich so richtig über mich und nehme mir fest vor, in Zukunft höchstens zweimal reinzugucken. Aber am nächsten Tag … Ich bin einfach nicht konsequent.«
»Am Anfang ging’s mir auch so. Dann habe ich beschlossen, im Urlaub und an Wochenenden Social Media weitestgehend zu ignorieren. Du wirst es nicht glauben, die Welt dreht sich weiter und niemand vermisst mich.«
»Du nimmst mich nicht ernst«, beklagte sie sich.
»Oh doch, meine Liebe, ich nehme dich ernst. Aber sag mal ehrlich, was bringt dir deine Aktivität? 3000 Follower. Passt das zu den Verkaufszahlen deiner Bücher? Hat sich dadurch irgendetwas bewegt.«
Sie lachte (zum Glück). »Spielverderberin.«
»Tja, was lehrt uns das?«, fragte ich.
»Alles nicht zu ernst zu nehmen.«
»Ganz genau. Solange wir von Angesicht zu Angesicht miteinander reden, ist noch nicht alles verloren. Das, z.B., würde ich ganz gewaltig vermissen.«
»Mich wirst du so schnell nicht los. Ich spuke dich nicht aus und lasse dich als Treibgut verrotten.«
»You made my day.«
Das Gespräch endete in allgemeinem Wohlgefallen. Später, als ich den Dialog rekapitulierte, bin ich nochmal gewaltig ins Grübeln gekommen. Macht es wirklich Sinn, allzu viel Zeit in Social Media zu investieren. Hängt davon wirklich so viel ab, wie suggeriert wird? Ist es nicht leider oft ziemlich oberflächlich?
Übrigens: Happy Birthday, Twitter, zum 10. Geburtstag.
Christa Lieb ©