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Christa Lieb – Autorin

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Eine Momentaufnahme

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Foto chrilie

Ziellos laufe ich durch die riesige Shopping Mall am Tysons Corner, Fairfax/USA. Um mich herum herrscht dichtes Gedränge. Die penetrante Musikberieselung und die Aromen von Vanille und Zimt reizen meine Ohren und Nase. Ich suche nach Orientierung. Es ist schwer, den Überblick zu behalten. Etage über Etage, Geschäft an Geschäft türmen sich auf zu einem bunten, lauten Allerei.

Mechanisch setze ich Fuß vor Fuß, verlaufe mich, erschöpfe mich in diesem Labyrinth des Konsums. “300+ specialty shops and restaurants, 3 million square feet” lese ich auf einer der zahlreichen riesigen Info-Tafeln. Mein Füße schreien nach Rast und meine überreizten Sinne bitten um eine Verschnaufpause. In einer der vielen Seitenpassagen, eng an der Wand, steht eine Bank. Und – oh Wunder – sie ist leer. Erleichtert lasse ich mich nieder. Der Stahl kühlt meinen erhitzten Körper. Aber das erhoffte Wohlbefinden will sich nicht einstellen. Erschöpft lehne ich mich zurück und schließe für einen kurzen Moment die Augen, will alles um mich herum aussperren.

Ein inneres Raunen ruft mich. Ein Wispern. Erst leise, kaum vernehmbar, dann immer energischer. Erstaunt öffne ich die Augen. Mein Blick fällt auf die großen Letter gegenüber. “BOOKs” steht dort unübersehbar in roter Leuchtschrift. Es ist einer dieser vielen Lesetempel, die es zuhauf in jeder Shopping Mall gibt. Alle sehen gleich aus, sind austauschbar. Widerwillig erhebe ich mich und steuere auf die hell erleuchteten, bunt dekorierten Schaufenster zu. Nur englisch sprachige Bücher – wie schon vermutet. Trotzdem betrete ich den Laden, schlendere durch die endlosen Reihen, schaue auf bunte Cover und viele bekannte Namen. Ein Regal, kurz vor dem Ausgang, erweckt meine Aufmerksamkeit. Überrascht bleibe ich stehen. Unzählige Bücher mit weißen, unberührten Blättern stehen in Reih und Glied – warten auf Worte, die sie füllen.

Die bunten kitschigen Exemplare lasse ich links liegen. Aber da gibt es auch noch die mit den wunderschönen, romantischen, magischen Motiven. Zart berühre ich sie mit meinen Fingerspitzen, will wissen, wie sie sich anfühlen. Bei einem kleinen, auf den ersten Blick unscheinbaren Buch, spüre ich ein zartes Kribbeln. Interessiert nehme ich es zur Hand. Der Umschlag sieht aus, wie ein alter, abgegriffener Ledereinband. Ich streiche darüber, schlage es auf, sehe feine, schwarze Linien.

Mir wird warm ums Herz. Das Buch und ich haben uns gefunden, im unüberschaubaren Getümmel von Tysons Corner.

chrilie

Autor: Christa Lieb

 

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